Das Bandonion und seine Musik
Bandonion und Konzertina sind Handzuginstrumente, bei denen der Ton durch durchschlagende Zungen erzeugt wird. Sie zählen zu den Aerophonen. Durch die durchströmende Luft entsteht eine Selbsterregung der Tonzunge, die durch den im Stimmplattenkörper befindlichen Tonzungenkanal hindurchschwingt; durch ihre Eigenelastizität (Federstahl) schwingt sie wieder zurück und darüber hinaus. An der Kante des Stimmplattenkörpers am Tonzungenkanal wird dadurch der Luftstrom unterbrochen (Prinzip der Lochsirene). Bei einer Frequenz von 50 Hertz wird somit der Luftstrom 50mal in der Sekunde abgeschnitten. Dies nimmt unser menschliches Ohr als Ton wahr. Durch große Tonzungen entstehen tiefe, durch kleine Tonzungen entstehen hohe Töne. Für jeden Ton ist jeweils eine Tonzunge für Zug und für Druck vorhanden.
Zeichnung rechts: Zerlegung der Zungenschwingungin vier Phasen. (Diese Zeichnung wurde dem Buch „Akkordeon“ von Gotthard Richter, S. 157, entnommen). Beide Instrumente sind wechseltönig. D.h., Auf Zug und Druck erklingt auf einem Knopf jeweils ein unterschiedlicher Ton. Die Konzertina, die Vorgängerin der Bandonions, ist tonartgebunden. Das heißt, sie ist diatonisch. Es sind nicht alle Töne der Tonleiter vollständig vorhanden. Die gebräuchlichste Konzertina besitzt auf der Bass- und der Diskantseite jeweils drei Knopfreihen. Die Einheitskonzertina besitzt jeweils vier Knopfreihen.
Das Bandonion hingegen ist voll chromatisch spielbar. Es sind alle Töne der Tonleiter vorhanden. Ein 144töniges Bandonion ist über sechs Oktaven spielbar, vergleichbar mit einem Klavier. Meistverbreitete Bandonions sind die der Rheinischen Tonlage (142tönig) und das Einheitsbandonion (144tönig). Andere Arten sind gleichtönige Bandonions, bei denen auf Zug und Druck auf einem Knopf der gleiche Ton erklingt. Dazu gehören das Kusserow-System und das System Peguri. Das Bandonion besitzt sowohl auf der Bass-, als auch auf der Diskantseite mindestens fünf Knopfreihen. In der Musikgeschichte ist das Bandonion wohl zunächst ausschließlich als Volksinstrument bekannt, das sich seit den 70er Jahren des 19. Jh. bis in die 40er Jahre des 20.Jh. großer Beliebtheit erfreute. Das war sicher auch durch die Besonderheit des Bandonions begründet: Man spielte nach Zahlenanordnungen und brauchte daher keine besondere musikalische Vorbildung. Oriwohl belegt die Popularität des Instrumentes und seiner Musik mit folgenden Zahlen: Im Jahre 1927 gab es in ganz Deutschland etwa 1000 Konzertina- und Bandonion-Vereine mit rund 14000 Mitgliedern Diese Entwicklung bestätigt auch die damalige Carlsfelder „Musikszene“: - 1938 gab es das Werksorchester der Firma Alfred Arnold. - Von 1929 bis etwa 1942 existierte der Bandonion-Club Carlsfeld. - Darüber hinaus hieß es im Ort: „Do gibt`s fast in jeden Haus en´ Blosbalgn. Die Hausmusik war also üblich. Noch heute erinnert man sich in Carlsfeld an Spieler wie Hans Schädlich, Alfred Glöckner und Ernst Lorenz. Bei ihnen lernten auch die Jungen das Bandonionspiel. Das Repertoire dieser „Laienspieler“ - in Deutschland gab es keine professionelle Ausbildung - reichte von Volksliedern, Märschen und Tanzmusik bis hin zur Klassik.